Starhawk in Stettenfels

1988 Starhawk-Workshop auf Burg Stettenfels (von Donate Pahnke McIntosh)Donate und Starhawk beim Arkuna-Workshop auf Burg Stettenfels

Der große Erfolg des Stuttgarter Workshops und die starke Nachfrage nach mehr Reclaiming-Angeboten veranlasste das Arkuna-Zentrum, etwas richtig Großes zu wagen. Sie schrieben zwei direkt aufeinander folgende Reclaiming-Frauenworkshops für eine große Teilnehmerinnenzahl aus und mieteten dafür die Burg Stettenfels in der Nähe von Heilbronn an.

Die Workshops fanden vom 30.06.-03.07. und vom 03.-06.07.1988 statt und konnten einzeln oder komplett besucht werden. Ich buchte natürlich beide! Am ersten Teil nahmen ca. 75 Frauen teil, am zweiten ca. 100.

Es gab eine Neuerung: Starhawk brachte als Co-Referentinnen drei Frauen aus ihrem damaligen Coven (Compost-Coven) mit: Rose Maydance, Pandora O’Mallory und Carol McAnnally. Das fünfte Coven-Mitglied Cybele konnte leider nicht mitkommen, sie kam aber in späteren Jahren zu Workshops nach Europa.

Der Unterricht und die Struktur der Workshops hatte schon sehr viel Ähnlichkeit mit der Struktur von Reclaiming-Witchcamps: Es gab jeweils zwei Vormittagsgruppen (im Witchcamp hätten sie Pfade geheißen): Im ersten Workshop waren es die Elements-Gruppe für Anfängerinnen und die Mysteries-Gruppe für Fortgeschrittene. Im zweiten Workshop hießen sie Rites-de-passage-Gruppe für die Neueren und Outdrawing Spiral für die Fortgeschrittenen. Die Abendrituale feierten alle gemeinsam. Es unterrichteten immer zwei Lehrerinnen zusammen in einer Gruppe, es wurde mit mythischen Geschichten gearbeitet, und für die Zwischenzeit taten sich die Teilnehmerinnen zu Bezugsgruppen (affinity groups) zusammen, die sich einmal am Tag zum Austausch trafen.

Es ist unmöglich, alles zu schildern, was in diesen wundervollen, magischen Tagen passierte! Es war wie ein Fanfarenstoß für die spirituelle Frauenbewegung: Ritualarbeit auf höchstem Niveau, tiefgehende persönliche spirituelle Erfahrungen, kombiniert mit dem individuellen und kollektiven Blick auf die politischen Zustände in unserem Land und in der Welt. Healing ourselves, healing the earth war das Motto.

Einige Dinge in der magischen Arbeit haben mich besonders bewegt und beeindruckt:

Es gab eine fantastische Chakrenreinigung, geleitet von Rose. Zum ersten Mal spürte ich, wie es sich anfühlt, wenn alle Chakren gesäubert und ganz frei und durchlässig sind. Mit einem Augenzwinkern lese ich in meinem Tagebuch: „Es war ein Gefühl wie einer dieser seltenen, unglaublichen Orgasmen, die scheinbar nie aufhören.“ Ein sehr einprägsames Gefühl, auf das ich dann später in meiner Tantra-Ausbildung gut aufbauen konnte.

Die Trance-Übungen, die wir machten, waren eine Offenbarung. Übungen zur Zentrierung, zum Schutz der Aura, zur Regulierung von Geschütztheit und Öffnung, zum Erspüren der Göttin in uns (ohne gleich überzuschnappen), zur Kreation eines persönlichen Symbols unserer eigenen, zentrierten Power, erste Übungen zum Aspektieren. Ganz neu für die meisten waren die Richtlinien zum Durchführen einer ungeleiteten Gruppentrance mit ca. sechs Teilnehmerinnen, die sternförmig auf dem Boden lagen, die Köpfe zur Mitte: Wie die Gruppe verortet und geerdet sein muss, welche Techniken es gibt für die Krähe (die dafür sorgt, dass das Ziel nicht aus den Augen verloren wird) und die Schlange (die über die Energien wacht und insbesondere darüber, dass keine zu viel oder zu wenig sagt oder zurückbleibt), wie die Gruppe in die Trance hinunter und am Schluss wieder hinauf kommt, und vieles mehr.

Wir lernten zwei magische Zaubersprüche:

By all the powers of three times three,
by earth and air and fire and sea,
this spell bound around shall be,
to cause no harm nor turn on me.
As I so will, so mote it be.

Now let the power pass from me
to where it was begun.
Chant the spell and be it done.
As I so will, so mote it be.

Unvergesslich ist auch das Ahnen-Ritual zum Thema der in Deutschland ermordeten Juden und Hexen. Es war Starhawk anzumerken, wie sehr sie dieses Thema berührte und wie schwierig es für sie war, sich als Jüdin und Hexe diesem Thema in Deutschland zu stellen. Sie selbst und viele andere im Kreis weinten. Dann leitete Rosie eine unvergessliche Trance zur Reinigung und Transformation, die uns half, diesem Thema mit Erdung zu begegnen.

Im Abendritual machten wir eine weitere, noch sehr viel tiefer gehende Trance, in der jede in Kontakt mit ihren eigenen Ahnen gehen konnte. Ich ging nicht sehr tief mit, weil mir zu diesem Zeitpunkt ein Kontakt mit meinen eigenen Ahnen noch zu unheimlich war. Stattdessen nahm ich sehr bewusst wahr, wie die vier Lehrerinnen miteinander und dem Kreis umgingen. Ich war tief beeindruckt einerseits von der Professionalität, in der sie zusammen das Ritual leiteten, und andererseits von der Liebe und Sensibilität, die sie inmitten dieser hundert Frauen, für die sie verantwortlich waren, auch füreinander zeigten. Wie sie füreinander sorgten, einander trösteten und unterstützten. Ich hatte noch nie etwas so Schönes, einen solchen Zusammenklang in gemeinsamer Arbeit erlebt wie diese vier Frauen an diesem Abend. So etwas war für mich bisher nur eine Utopie gewesen, aber jetzt erlebte ich, dass es möglich und realisierbar war! Ich war total überwältigt und es war nicht zuletzt dieses Erlebnis, das mir den Impuls für die Gründung des deutschen Witchcamps gab. So etwas sollte es bei uns auch geben! – Die Ahnenrituale wurden zu einem späteren Zeitpunkt im Plenum ausführlich besprochen und es gab viel Zeit für Fragen und Antworten. So ließ sich vieles erklären und integrieren.

Eine letzte Trance möchte ich noch erwähnen: das Ritual, in dem ich (zum ersten und einzigen Mal) die Erfahrung machte, total auszutrancen. Die Bezugsgruppen bekamen den Übungsauftrag, miteinander auf die Weise, die wir gelernt hatten, in Gruppentrance zu gehen. Den Ort, das Thema und die Art der Durchführung konnten wir selbst bestimmen, wir mussten uns nur an die Regeln halten. In der Tiefe der Trance passierte mir etwas faszinierend Schreckliches: Ich verlor die Gruppe. Die Bilder, die Gefühle, die Körpersensationen, die Energie, die mich wie Meeresrauschen durchflutete, waren so stark und so euphorisierend, dass ich mich dem Geschehen einfach überließ, meine Erdung verlor und einfach „wegschwamm“. Zum Glück merkten es die anderen und konnten mich wieder einfangen. Nach dem Ende der Trance hatte ich noch lange das quälende Gefühl, energetisch völlig überladen zu sein, und es brauchte viel Zeit und Unterstützung, wieder ins Gleichgewicht zu finden. Diese Erfahrung habe ich nie vergessen und habe mir als Merksatz hinter die Ohren geschrieben: Wenn du richtig abheben willst, dann brauchst du gute Erdung!

Ich könnte noch endlos weiterberichten aus diesen Tagen, die für viele von uns wie eine Initiation in die Reclaiming-Arbeit waren. Aber es sollte ja schon bald weitergehen.

1989

Pandora und Carol (die übrigens zu jener Zeit ein Paar waren) kamen nach Deutschland und gaben Workshops an verschiedenen Orten in Niedersachsen, teils für Frauen allgemein, teils nur für Lesben. Die Organisation lag bei Liz Shipley und Sarah Jansen. Ich selbst nahm am Intensivkurs Frauenmagie vom 24.-27.07.1989 in Dransfeld teil, in dem wir mit nordischen Göttinnen arbeiteten und Masken für „unsere eigene“ Göttin herstellten. Sehr spannend war es auch, dass in den Workshop die Dransfelder Megalithen einbezogen wurden.

Starhawk beim Arkuna-Workshop 1990

1990

Die Arkuna-Frauen, beflügelt vom großen Erfolg des ersten Workshops in Stettenfels, organisierten am gleichen Ort nochmals eine große Veranstaltung:

Frauengeschichten – Frauenheilung mit Starhawk und Pandora

vom 05.-10.06. auf der Burg Stettenfels.

Das Thema des Workshops war Priesterinnenarbeit, d.h. wir lernten Techniken und Methoden der Ritualleitung. Besondere Schwerpunkte lagen auf der Energielenkung im Ritual und auf der Tranceleitung. Wir erfuhren, was die Aufgaben von Sprecherinnen, Trommlerinnen, Energieüberwacherinnen usw. in der Trance sind. Wer es noch nicht kannte, wurde in den Grundrhythmus des Ritualtrommelns eingeführt: 1-2-3 1-2-3 1-2 oder auch (mit einem Augenzwinkern) Opapa Opapa Oma.

Natürlich gab es neben der theoretischen Unterweisung auch eine Vielzahl von praktischen Übungen, und gleich das erste Abendritual wurde von uns Teilnehmerinnen (unter Anleitung) geplant und durchgeführt. Starhawk schlug vor, dass ich die Trance leiten sollte, und ich war sooo aufgeregt! Aber zum Glück waren ja die Lehrerinnen anwesend und konnten helfen, falls es ein Problem gab. Alles lief gut. So leitete ich meine erste Trance für eine sehr große Gruppe, ein tolles Erlebnis.

Was mich in diesem Workshop ebenfalls sehr beeindruckte, waren die Übungen zum narzisstischen Größenselbst und zum Minderwertigkeitsselbst (inflated – deflated self). Die damit verbundenen Techniken habe ich seitdem für mich immer weiter vertieft und oft mit Gruppen angewendet.

Donate und Pandora beim Arkuna-Workshop 1990Besonders intensiv habe ich das letzte Abendritual erlebt, in dem Starhawk und Pandora alles bisher Erarbeitete zusammenführten und zugleich eine Situation erschufen, in der jede von uns, die wollte, eine Art Selbstinitiation durchführen konnte. Hier gab es viele feierliche, fröhliche und tief berührende Momente. Für mich, die ich zu der Zeit schon initiierte Mondpriesterin war, vertiefte sich durch die Initiation in die Mysterien der Göttin, unter der sicheren und einfühlsamen Betreuung der Lehrerinnen, das Verhältnis zur Göttin auf wunderbar tiefe und magische Weise.

Zu Hause habe ich mir dann eine Kette gemacht, meine Priesterinnenkette, die ich bis heute in fast jedem Ritual trage.

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